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Volatilitätsstrategien

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: i.e.S. kombinierte Optionsstrategien und spezifische Hedgingstrategien, die nicht auf die Entwicklung des Underlying abstellen, sondern auf die Entwicklung der Volatilität des Underlying, und zwar

    • der tatsächlichen Volatilität des Underlying, genauer: der Stärke von Kursbewegungen (vgl. abgrenzend Vega-Trading, Ziff. 3),
    • der zukünftigen impliziten Volatilität des Underlying oder
    • der Differenz zwischen zukünftiger tatsächlicher (= realisierter) und impliziter Volatilität des Underlying.

    Weiterhin umfasst der Begriff der Volatilitätsstrategien i.w.S. auch solche Strategien, die auf die tatsächlichen und/oder impliziten höheren Momente der Wahrscheinlichkeitsverteilung ausgerichtet sind; vgl. hierzu ausführlich Skew-Trading (i.w.S., d.h. einschließlich Kurtosis-Trading). Diese Strategien werden in idealtypischer Form ohne Delta-Exposure, also delta-neutral geführt, und unterscheiden sich damit grundsätzlich von sog. direktionalen Strategien, die als Handelsstrategien unmittelbar im Underlying, in Spreads (Vertical Spread, Time Spread, Diagonal Spread), Risk Reversals und Conversions und als (Stillhalter-)Prämienstrategie im Covered Writing und in Collars umgesetzt werden. Den meisten Positionen wohnt dabei allerdings neben der direktionalen auch eine eher kleinere Volatilitätsexposure inne (Time Spreads), während andere neben der direktionalen Komponente auch eine eher kleinere (Vertical Spreads und Collars) oder sogar größere (Risk Reversal und Conversions) Skew-Exposure beinhalten und schließlich Diagonal Spreads gleichzeitig direktional, in Volatilität und Schiefe exponiert sind.

    2. Volatilitätshandels- und Volatilitätsprämienstrategien: Diese prinzipielle Unterscheidung lässt sich anhand der Idee treffen, die innerhalb der Strategie umgesetzt werden soll: Eine Volatilitätshandelsstrategie baut auf proprietären, d.h. individuellen Meinungen zu den o.g. Größen im Vergleich zur Marktmeinung auf, die an den impliziten Volatilitäten abgelesen werden kann: Die tatsächliche Volatilität soll größer (Long-Positionen, auch im folgenden) oder kleiner (Short-Positionen, auch im folgenden) als die implizite Volatilität sein, die zukünftige implizite Volatilität soll größer oder kleiner als die implizite Forward-Volatilitat (vgl. Volatility Cone) sein oder die tatsächliche Volatilität soll stärker steigen (oder weniger stark sinken) oder weniger stark steigen (oder stärker sinken) als die implizite Volatilität. Gleiches gilt für die höheren Momente, bei der Schiefe mit Blick auf die Korrelation des Kurses des Underlying und der (tatsächlichen oder impliziten) Volatilität und bei der Kurtosis mit Blick auf die Volatilität der (tatsächlichen oder impliziten) Volatilität. Im Hintergrund steht die grundsätzliche Erkenntnis, dass Volatilitäten und (mit Einschränkungen auch) die höheren Momente besser prognostiziert werden können als das erste Moment, also die Renditen und damit letztlich die Kurse des Underlying; das jeweils inhärente Schätzrisiko sollte durch kalkulatorische Aufschläge aufgefangen werden und zur Diversifikation der Engagements Anlass geben. Eine Volatilitätsprämienstrategie baut demgegenüber auf der regelmäßig zu beobachtenden Aufwärtsverzerrung der impliziten gegenüber der tatsächlichen Volatilität, also einem im Durchschnitt positiven sog. Volatility Spread (s.d., Ziff. 3), auf, die Stillhalter potenziell zu begünstigen scheint; da dieser insbesondere bei Volatilitätsindizes beobachtet werden kann, sind die Hintergründe dortselbst beleuchtet. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass Volatilitätshandelsstrategien eher als aktive Anlagestrategien und Volatilitätsprämienstrategien eher als passive Anlagestrategien angelegt sind; die Übergänge von einer Short-Handelsstrategie zu einer Prämienstrategie sind dabei fließend, je nachdem wie flexibel die Short-Positionen eingegangen und geführt werden (semiaktive Anlagestrategien).

    3. Verschiedene Volatilitätshandelsstrategien: a) Delta-Hedging als Handel mit tatsächlicher Volatilität: Weder eine vollständig ungehedgte noch eine kontinuierlich, also perfekt gehedgte Optionsposition konstituieren eine überzeugende Volatilitätsstrategie: Erst eine gezielte Strukturierung des Delta-Hedging, d.h. eine Anpassung der Hedgefrequenz an die eigene Volatilitätserwartung leistet dies; sie ist ein wichtiger Anwendungsfall des sog. Gamma-Scalping, ggf. als Scalping-Overlay (mit Macro Hedges): In Erwartung von Seitwärtsmärkten lässt sich das durch Kursveränderungen (egal, in welche Richtung) im Underlying "produzierte" Delta bei Long-Positionen immer wieder antizyklisch glattstellen und so dem Zeitwertverlust etwas entgegensetzen; in Erwartung eines Trendmarktes (Trendkanal, Trendlinien) lässt man das Delta umgekehrt länger laufen. Umgekehrt gehen die Stillhalter vor: Sie hedgen in Seitwärtsmärkten großzügiger, um Transaktionskosten zu sparen und das Theta zu genießen, und in Trendmärkten enger, um das durch Kursveränderungen (egal, in welche Richtung) im Underlying eingebüßte Delta wunschgemäß prozyklisch glattzustellen. Gleichzeitig kommt es zu einem Volatility Feedback des dynamischen Delta-Hedging der Market Maker: Sind sie gamma-long, tragen ihre Hedging-Aktivitäten zur Beruhigung des Marktes bei, sind sie gamma-short, wirken sie trendverstärkend, und die "Scalps" tendieren dazu, sich selbst zu bestätigen; die Gamma-Positionierung der Market Maker (die ja den Bid-Ask-Spread nicht bezahlen, sondern vereinnahmen) ist ein wichtiges Analyseinstrument auch für das Directional-Trading. Asymmetrien im Delta-Hedging zwischen Puts und Calls sind an anderer Stelle (Shadow Delta) erläutert. Im übrigen gerät in der Praxis jeder Delta-Hedger "auf der dunklen Seite des Hedges" automatisch zum Gamma-Scalper; darüber sollte er sich bewusst sein und die Anwendung zeitlich fixierter oder starr an einer Delta-Range ausgerichteter Hedging-Intervalle überdenken.

    b) Traditionelle Volatilitätsstrategien als Handel mit tatsächlicher Volatilität: Hier setzen die Marktteilnehmer nicht auf die Richtung von Kursbewegungen, sondern long auf stärkere und short auf schwächere Kursbewegungen als sie in Form von (diskontiertem) Theta als Optionsprämie bezahlt bzw. vereinnahmt haben. Mit absteigender Volatilitäts-Exposure kommen die klassischen kombinierten Optionsstrategien Straddle, Strangle, Butterfly und Condor long oder short zum Einsatz, ggf. auch geleggt oder im Zeitablauf wechselnd, und werden vielfach noch weiter ausdifferenziert. Zusätzliche direktionale Komponenten können bullish in Strip Spreads oder Ratio Put Spreads, bearish in Strap Spreads oder Ratio Call Spreads und in differenzierter Form in Backspreads eingebracht werden. Die Frage nach der Behandlung des Gamma bei Kursbewegungen stellt sich auch hier.

    c) Traditionelle Volatilitätsstrategien als Handel mit impliziter Volatilität: Hier werden die gleichen Handelsstrategien wie unter b) eingesetzt, nun aber im Bereich längerer Restlaufzeiten. Hier stellt sich allerdings häufig noch die zusätzliche Aufgabe, neben der Delta-Neutralität (durch Positionen im Underlying oder von vornherein durch Delta-Spreads) auch die Gamma-Neutralität zu wahren, was regelmäßig durch den kostengünstigen Kauf bzw. den theta-trächtigen Verkauf von Kurzläufern erfolgt (vgl. hierzu noch Ziff. 4.c)). In besonderen Marktsituationen kann aber auch ein gleichzeitig negatives Vega und positives Gamma erwünscht sein, insbesondere unmittelbar vor einem antizipierbaren kursrelevanten Ereignis (vgl. dazu Skew-Trading, Ziff. 2); auch der umgekehrte Fall ist denkbar, z.B. in Erwartung einer Information, dass ein solches Ereignis bevorsteht, nach deren Veröffentlichung am Markt selbst noch "Ruhe vor dem Sturm" herrscht, aber die steigende Nervosität die impliziten Volatilitäten bereits "anspringen" lässt. Ein Time Spread aus At-the-Money-Straddles oder -Butterflies ist hier das Instrument der Wahl.

    d) Moderne Volatilitätsstrategien als Handel mit der Differenz von zukünftiger tatsächlicher und impliziter Volatilität: Hier werden Long-Positionen in Erwartung einer Ausweitung der typischerweise positiven Differenz zwischen tatsächlicher und impliziter Volatilität und Short-Positionen in Erwartung deren Verengung eingegangen; so lässt sich von Bewegungen – ähnlich wie im letzteren Fall – auf beiden Seiten profitieren. Diese Positionen werden nun konzeptionell strikt, zumindest nach Möglichkeit delta-neutral geführt, im Unterschied zu den Scalping-Strategien unter a). Ausgangspunkt für diese Strategien ist die Abbildung des täglichen Gewinns/Verlusts einer delta-neutralen Optionsposition durch den Ausdruck

    Daily P&L = 1/2 S2 Gamma · (σ2 – σimplied2)

    mit S als Aktienkurs und σ als tatsächliche Volatilität im Sinne der täglichen Kursveränderung  (Si–Si-1)/Si-1; der Faktor vor der Klammer wird als "Dollar Gamma", "Euro Gamma" usw. bezeichnet. Diese Formel geht lediglich auf die vereinfachenden Annahmen eines risikolosen Zinssatzes von Null und keiner Dividendenzahlungen während der Laufzeit zurück, weshalb gilt: Theta = – 1/2 S2σ2·Gamma. Weiterhin gilt: Vega = S2σT·Gamma (vgl. Vega-Trading, Ziff. 2), so dass der Gesamtgewinn/-verlust einer delta-neutralen Optionsposition über die gesamte Restlaufzeit durch den Ausdruck

    Total P&L ≈ Vega (σD – σD,implied)

    mit σD D,implied) als durchschnittliche realisierte (implizite) Volatilität während der Restlaufzeit bei eher kleinen Veränderungen der impliziten Volatilität sehr gut approximiert werden kann und zudem linear in den Volatilitäten ist; eine exakte Lösung liefert er nur für den Fall einer konstanten impliziten Volatilität, deren Annahme im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend wäre. Es zeigt sich vor allen Dingen, dass allein eine delta-gehedgte Long- (Short-)Position prinzipiell geeignet ist, von einer Ausweitung (Verengung) des Volatility Spread zu profitieren. Das entscheidende Problem liegt allerdings darin, dass der Gamma-Faktor und damit auch das "Dollar, Euro etc. Gamma" im Laufe der Zeit in Abhängigkeit von der Moneyness der Option und damit der Kursentwicklung des Underlying starken Schwankungen unterworfen ist, die sich zum Ende der Restlaufzeit hin noch weiter ausprägen; das wird – ähnlich wie bei vielen exotischen Optionen – als Pfadabhängigkeit bezeichnet: Auch wenn die durchschnittliche realisierte Volatilität unterhalb der durchschnittlichen impliziten Volatilitat liegt, kann eine genau hierauf abstellende Long-Position in einem kumulierten Verlust enden. Dieses Problem kann nur durch ein wohlstrukturiertes Gamma-Hedging im Sinne eines "Speed-Scalping" (in Analogie zum Gamma-Scalping) (vgl. Volatility Smile, Ziff. 2) oder durch Rückgriff auf innovative Volatilitätsderivate wie vor allem Varianzswaps angegangen werden (s.u. Ziff. 5).

    e) Sonderfall: Dispersion Trading als Handel mit Korrelation: Als Dispersion wird die Differenz zwischen der durchschnittlichen Varianz der konstituierenden Bestandteile eines Baskets oder Index und der Varianz des Baskets/Index selbst bezeichnet; sie ist aufgrund des Diversifikationseffektes bei nicht vollständig positiver Korrelation der Renditen der Einzelanlagen immer positiv und umso größer, je weniger die Renditen der Einzelanlagen miteinander korreliert sind. Die klassische long Dispersion besteht darin, (tatsächliche oder implizite) Volatilität des Index zu verkaufen und (tatsächliche oder implizite) Volatilität der Einzelanlegen – vor allem vega-neutral oder cashflow-neutral – zu kaufen. Auf diese Weise wird in den Optionen auf die Einzeltitel mehr Gamma (vor allem in kurzen Restlaufzeiten) generiert als in der Index-Option abgegeben wird und das dortige Theta zur "Subventionierung" des Zeitwertverlustes der Optionen auf die Einzeltitel eingesetzt; zudem ist das short Gamma auf Indexebene wegen der dort niedrigeren Bid-Ask-Spreads leichter zu hedgen oder zu scalpen. Inhaltlich wird eine Short-Position in der Korrelation zwischen den Einzelanlagen eingegangen, die darauf basiert, dass traditionell die implizite Korrelation größer ist als die tatsächliche Korrelation, vor allem weil die strukturellen Downside-Absicherungsbedarfe sowohl gegen das Kursrisiko (vgl. Volatility Skew, Ziff. 2) als auch gegen das Korrelationsrisiko (vgl. Diversifikation, Ziff. 4) auf Wertpapiermärkten eher in Indexprodukten befriedigt werden. Dies wird mittlerweile vor allen in innovativen Volatilitätsderivaten wie gegeneinander gestellten Varianzswaps unter kontinuierlichem Vega-Hedging oder sogar unmittelbar in sog. Kovarianz- oder Korrelationsswaps angegangen (s.u. Ziff. 5) und erwartungsgemäß mit Smart-Dispersion-Strategien "gekontert".

    f) Von den weiteren Handelsstrategien, die an den Märkten fortwährend erprobt werden, hat sich z.B. ein Volatility-Beta Trading als erfolgreich erwiesen: Wenn eher stark miteinander korrelierte Märkte unterschiedlich stark auf globale Volatilitätsveränderungen reagieren, können durch den Kauf von (tatsächlicher) Volatilität des Index mit dem insoweit höheren Beta, z.B. dem DAX, und dem Verkauf von (tatsächlicher) Volatilität des Index mit dem insoweit niedrigeren Beta, z.B. dem EURO STOXX 50, Zusatzrenditen erzielt werden.

    4. Verschiedene Volatilitätsprämienstrategien: a) Grundsätzliches: Wie unter Ziff. 2 erläutert, zielen diese Strategien darauf ab, am Markt existierende Volatilitätsrisikoprämien i.w.S. (einschließlich Skew-, Kurtosis- und Korrelationsrisikoprämien) zu generieren, die darauf zurückgehen, dass die annahmegemäß risikoaversen Marktteilnehmer bereit sind, für die Abnahme der verschiedenen Volatilitätsrisiken im Durchschnitt eine höhere Optionsprämie, also eine höhere implizite Volatilität (oder Korrelation), zu bezahlen als es von der späteren Realisation der (tatsächlichen oder impliziten) Volatilität und höherer Momente (oder Korrelation) her gerechtfertigt gewesen wäre; sie nehmen also eine im Mittel negative Rendite in Kauf. Mit anderen Worten haben die Volatilitätsrisikoprämien den Charakter von Versicherungsprämien, die Stillhalter fungieren als Versicherer und erzielen i.d.R. kleine, sich im Zeitablauf summierende Gewinne, denen im "Versicherungsfall" häufig empfindliche Verluste (Drawdowns) gegenüberstehen. Dabei erweisen sich sog. Rolling-Short-Strategien mit Kurzläufern häufig als überlegen (vgl. Volatilitätsindex, Ziff. 4). Intelligente Prämienstrategien zeichnen sich darüber hinaus dadurch aus, systematisch dann dem Markt fernzubleiben, wenn die Gefahr eines Versicherungsfalles droht oder sogar überhaupt erst den Markt zu betreten, wenn dieser (so gut wie) ausgeschlossen erscheint; bereits eine antizyklische Anlage der Strategie kann hilfreich sein. Zudem lohnt es sich, möglichst viele Einzelmärkte ins Auge zu fassen, da die gefährlichen Volatilitätsspitzen zeitlich nicht vollständig zusammenfallen. Umgekehrt sollte der interessierte "Versicherungsnehmer" vor allem besorgt darum sein, wie lange er bereit ist, die Theta-Prämie zu bezahlen, bevor der Versicherungsfall eintritt; so ist berechnet worden, dass sich alle 1,3 Jahre ein Crash gleich jenem von 1987 hätte einstellen müssen, damit sich der Erwerb von At-the-Money-Puts auf dem durchschnittlichen Preisniveau für August 1987 bis Dezember 2000 im S&P 500 gelohnt hätte.

    b) "Unechte" Volatilitätsprämienstrategien: Sie zielen schlichtweg darauf ab, ein möglichst hohes Theta zu generieren, und gründen in der Hoffnung, die damit unweigerlich verbundene negative Gamma-Exposure effizient managen zu können. Sie werden hier als "unecht" bezeichnet, weil strenggenommen keine Volatilitätsrisiken, sondern "nur" das Risiko starker Kursbewegungen übernommen wird (vgl. Vega-Trading, Ziff. 3). Dazu gehören das in Ziff. 3.a) skizzierte Reverse-Gamma-Scalping (bei – wie erwähnt – fließenden Übergängen zwischen Short-Handels- zu Prämienstrategien), delta-neutrale Time Spreads (mit einem Verkauf des Kurzläufers wegen des hohen Zeitwertverfalls) und beta-neutrale, d.h. an ein Beta des Underlying von ungleich Null angepasste Short-Straddles; hierbei erweisen sich Short-Put-Strategien auf Reverse-Skew-Märkten jeweils als profitabler als Short-Call-Strategien, weil mit ihnen nicht nur die Volatilitätsrisiken, sondern auch das Downside-Kursrisiko gleichsam in einem "Versicherungsbündel" abgedeckt werden kann. Besonders beliebte Vehikel sind auch Long-Positionen in Iron Butterflies (und analog Condors), die eine positive Vega-Exposure trotz positivem Cashflow bereitstellen, da beide Long-Positionen aus dem Geld (Moneyness) liegen (vgl. Skew-Trading, Ziff. 2); die implizierte geringere "peakedness around the mean" (vgl. historische Volatilität, Ziff. 3) beinhaltet umgekehrt ein beträchtliches Gamma-Risiko. Wegen dieses Charakteristikums werden sie vielfach auch – genau umgekehrt – als Short-Butterflies bezeichnet, und der Klarheit halber hat es sich eingebürgert, die entsprechenden Orders mit "open/close for a credit" oder "open/close for a debit" zu versehen.

    c) Ein Beispiel für "echte" Volatilitätsprämienstrategien i.e.S. hinsichtlich der zukünftigen impliziten Volatilität: Ausgangspunkt der Überlegungen ist der in der Abb. zum Volatility Cone dargestellte Fall, dass die implizite Volatilität einer Option (oder eines delta-neutralen Strangles) B1 historisch gesehen besonders hoch ist, z.B. im 90-Perzentil liegt. In diesem Fall bietet sich eine dortige (Vega-)Short-Position an, denn es erscheint zwar nicht hinreichend sicher, dass sich die impliziten Volatilitäten bereits binnen einer Frist bis A1 in Richtung eines langfristigen Mittelwerts zurückbilden, aber für den Laufzeitbereich B kann statistisch gesehen davon ausgegangen werden, dass sich die Mean Reversion der impliziten Volatilität schneller vollzieht, als es "der Markt" in B1 zum Ausdruck bringt. Die Idee hinter der Strategie besteht letztlich darin, dass die Mean Reversion der impliziten Volatilität – wie auch die von anderen wichtigen ökonomischen Größen (z.B. Zinssätzen (bis zur jüngeren Finanzkrise) oder Unternehmensgewinnen) – an den Märkten häufig unterschätzt wird, mit anderen Worten die implizite Forward-Volatilität einer Overreaction auf sog. Volatilitätsinnovationen (vor allem nach oben) unterliegt; dies wird auf empirischer Grundlage kontrovers diskutiert. Um bei Bedarf die Exposure gegenüber der tatsächlichen Volatilität herauszunehmen, wird man sich vorzugsweise durch (ratioed) Käufe von Kurzlaufern (oder delta-neutralen Strangles) C1 gamma-neutral stellen wollen, womit sogar zusätzliches Theta generiert werden kann; der Strangle sollte dabei nicht zu eng gesetzt werden, da near und at the money der erhoffte Rückgang der impliziten Volatilität mit i.d.R. unangenehmen Gamma-Anstiegen einhergeht; nur in Erwartung eines Kursausbruchs aus einer Trading Range kann u.U. mit Straddles gearbeitet werden (s. auch Ziff. 3.c)). Im übrigen kann diese Strategie auch für den umgekehrten Fall einer historisch gesehen niedrigen Volatilität B2 sinnvoll angewendet werden; dann verliert sie aber den Charakter einer Prämienstrategie, weil weder die erwähnte Aufwärtsverzerrung der impliziten gegenüber der tatsächlichen Volatilität ausgenutzt noch Theta "am kurzen Ende" generiert werden kann. Gerade dieser Ansatz ist in der Praxis daher auch zu einem vollständigen Volatilitätshandelssystem ausgebaut worden, indem schlicht jenseits eines Perzentils das beschriebene Vega-Trading und diesseits des Perzentils, also weiter innen, Gamma-Trading betrieben wird.

    d) Zur Existenz und zum Charakter von Volatilitätsprämien: Aus Raumgründen kann diese Frage zwar strukturiert, aber nur stichwortartig beantwortet werden; sie prägt derzeit weite Teile der optionspreistheoretischen Literatur. Es geht im einzelnen um folgende Fragenkomplexe:

    • Inwiefern kann der Volatility Spread überhaupt auf (beliebige) Risikoprämien zurückgeführt werden oder spielen auch andere Faktoren eine Rolle? Vgl. dazu die Ausführungen zu Volatilitätsindex, Ziff. 3.
    • Soweit es sich um Risikoprämien handelt: Sind es wirklich Prämien für Volatilitätsrisiken i.w.S. (s. Ziff. 4.a)) oder kommen auch andere Risikoprämien in Frage? Empirisch kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass es sich schlicht um eine Downside-Risikoprämie (und ggf. nur eine ergänzende sog. Left-Tail-Risikoprämie) handelt, die für die Absicherung der Anleger gegen (ggf. große) Kursverluste im Underlying (vgl. Volatility Skew, Ziff. 2) erhoben wird; die Absicherung kommt hier dadurch zustande, dass die (tatsächliche) Volatilität gerade bei Kursabschwüngen negativ mit der Rendite des Underlying korreliert ist, wohingegen bei Kursaufschwüngen die negative Korrelation schwächer ausgeprägt ist (vgl. Volatility Surface, Ziff. 4). Darüber hinaus können Korrelationsrisiken (s. Ziff. 3.e) und Switching-Risiken aus abrupten Änderungen des Volatilitätsregimes (i.S. der modernen Regime-Switching-Modelle der Optionsbewertung) einen Beitrag zur Erklärung des Volatility Spread spielen.
    • Soweit es sich um Volatilitätsrisikoprämien handelt: Sind diese gerechtfertigt – und können damit auf effizienten Märkten beansprucht werden – oder sind sie unsystematischer Natur, d.h. in gut diversifizierten Portefeuilles vernachlässigbar? Wenn das Capital Asset Pricing Model gültig ist, entscheidet hierüber die Korrelation zwischen der Überschussrendite der Stillhalter-Position und der Überschussrendite des Marktportefeuilles; empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass nur ein Teil der Volatilitätsrisikoprämie systematischer Natur ist, was insoweit auf Marktineffizienzen hindeutet. (Jump-Risiken werden traditionell und Gamma-Risiken aus der Natur der Sache heraus, denn symmetrisch wirkende Effekte können keine Korrelation i.S. der Kovarianz zur Realisation des Marktportefeuilles aufweisen, für unsystematisch gehalten.).
    • Unabhängig davon: Sind die Volatilitätsrisikoprämien im Zeitablauf konstant, und wenn das nicht der Fall ist: Können die Marktakteure davon profitieren? Dies läuft unter Berücksichtigung von Faktormodellen und einer konditionierten Anlagebewertung (vgl. Faktormodelle, Ziff. 3, 5) auf eine Folgefrage hinaus: Basiert der Volatility Spread im Kern darauf, dass die Volatilität selbst stochastischer Natur ist und/oder darauf, dass die Volatilitätsrisikoprämien ihrerseits einem stochastischen Prozess unterliegen? Einen solchen gälte es unter besonderer Berücksichtigung der Nervosität bzw Wachsamkeit der Marktakteure zu erforschen, um ein – dringend notwendiges – besseres Timing von Volatilitätsprämienstrategien zu Stande zu bringen.

     

    5. Volatilitätsstrategien unter Einsatz von Volatilitätsderivaten: Börsengehandelte Volatilitätsderivate der ersten Generation sind an den Märkten zum Teil weniger gut aufgenommen worden. So hat die Eurex schließlich sogar den Handel mit Terminkontrakten auf den VDAX bzw. VDAX-NEW, zunächst mit VOLAX-Futures – nach Einführung am 19. Januar 1998 das erste börsengehandelte Volatilitätsderivat überhaupt – und danach mit VDAX(-NEW)-Futures und Optionen auf die VDAX(-NEW)-Futures, bereits im Oktober 1998 bzw. zum 1. Juli 2009 eingestellt. Allerdings werden an der Eurex nach wie vor Futures und Optionen auf diese Futures mit dem VSTOXX als Basiswert gehandelt, der wiederum die implizite Volatilität des EURO STOXX 50 misst. Hierbei wird dezidiert auf die weiter verbreitete Variante des Kurs- und nicht – wie beim VDAX(-NEW) – auf die Variante des Performance-Index abgestellt, so dass sich die Frage stellt, ob die stärkere direktionale Komponente von Performance-Indizes den Handel von Terminkontrakten auf darauf bezogene Volatilitätsindizes vor allem in längeren Laufzeiten erschwert. Jedenfalls hängt die Cash & Carry Arbitrage zwischen Volatilitätsindex und Volatilitätsfuture – in Abhängigkeit von (der Basis und damit) den Cost of Carry – von der Handelbarkeit des Volatilitätsindex ab, die ihrerseits durch einen liquiden Futures-Markt erleichtert werden kann. Insbesondere, aber nicht nur im Rahmen des Retail Banking wurden von namhaften Emittenten zudem Index-Zertifikate auf den VDAX und den VDAX-NEW begeben; auch sie sind mittlerweile vom Markt verschwunden, weil gerade sie zusätzlich durch die (als Überraschung empfundenen) Rollover-Kosten aus der zuletzt nachhaltig im Contango stehenden zeitlichen Volatilitätsstruktur (vgl. Volatility Skew, Ziff. 4) in den Augen der meisten Anleger desavouiert sind.

    Im Kern dürfte das Hauptproblem der börsengehandelten Volatilitätsderivate der ersten Generation darin liegen, dass sie – wohl auch kommunikationspolitisch beeinflusst – von den Marktakteuren als Vehikel für das Trading und vor allem Hedging von zukünftiger impliziter Volatilität angesehen wurden, sie dies konzeptionell aber gar nicht leisten konnten, weil sie als synthetische Volatilitäts- bzw. Varianzswaps (vgl. VDAX, VDAX-NEW) vielmehr die Differenz zwischen zukünftiger tatsächlicher und impliziter Volatilität des Underlying abbilden. Genau hier knüpfen die seit ihrer Markteinführung in den 1990er-Jahren am OTC-Markt mehr und mehr verbreiteten Varianzswaps (und Volatilitätsswaps) an. Indem sie gleichsam einen Tausch von impliziter gegen zukünftige tatsächliche Volatilität und umgekehrt ermöglichen, ohne Delta-Hedging betreiben zu müssen, und gleichzeitig die unter Ziff. 3.d) beschriebene Pfadabhängigkeit vermeiden, kann der Volatility Spread in Handelsstrategien unmittelbar gehandelt und in Prämienstrategien die Aufwärtsverzerrung der impliziten gegenüber der tatsächlichen Volatilität unmittelbar mit Short-Positionen in Varianzswaps ausgenutzt werden. Analog erlauben Kovarianz- und Korrelationsswaps – gleichsam als Tausch von impliziter gegen tatsächliche Korrelation – ein unmittelbares Dispersion Trading, ohne Vega-Hedging betreiben zu müssen, bzw. die Vereinnahmung einer gegenüber der tatsächlichen Korrelation nach oben verzerrten impliziten Korrelation unmittelbar mit Short-Positionen in Korrelationsswaps. Die Eurex hat auf diese Konkurrenz reagiert und lässt nicht nur von ihrer Schwestergesellschaft STOXX Ltd. einen Index auf die realisierte Varianz des EURO STOXX 50 (RVSTOXX) berechnen, sondern legt seit 2014 auch Varianz-Futures auf den EURO STOXX 50 (EVAR) – und nicht etwa auf den DAX – auf, die exakt dem Auszahlungsprofil von OTC-Varianzswaps entsprechen und so wie diese repliziert und gehedgt werden; der börsliche Handel findet in sog. "nominalen Vega" – das ist vielmehr die Volatility Unit – zu Preisen in Volatilität (als Quadratwurzel aus der künftigen durchschnittlichen Varianz des EURO STOXX 50 bis zur Fälligkeit des Kontraktes) statt, der Block Trade Service hingegen direkt in Varianz-Futures-Kontrakten (nominale Varianz) zu finalen Varianz-Futures-Preisen. Trotz Herausnahme des Kontrahentenrisikos (Counterparty Risk) und einer transparenteren Preisbildung nimmt sich der Markterfolg – ebenso in den USA beim Varianz-Future der CBOE auf den S&P 500 (VA) – aber bis dato noch bescheiden aus.                      

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