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Portfolio-Theorie, Weiterentwicklungen

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Seit ihrer Hervorbringung in den 1950er Jahren ist die Portfolio-Theorie nach Markowitz in verschiedenster Hinsicht weiterentwickelt worden. Besonders naheliegend ist die Anwendung des zunächst nur für nationale Aktienportefeuilles konzipierten Modells auch auf andere Assetklassen und Märkte – bzw. aus theoretischer Sicht die Herausarbeitung hierfür spezifischer Anwendungsvoraussetzungen und dahingehender Modifikationen des Modells. So erfolgt etwa die Anwendung auf Zinsinstrumente unter besonderer Berücksichtigung des Zinsstrukturkurvenrisikos (Asset Allocation, Einsatz im Bond Portfolio Management) oder auf international diversifizierte Portfolios unter besonderer Berücksichtigung des Wechselkursrisikos (Asset Allocation, internationale Diversifikation). Auch die Möglichkeiten der Anwendung auf andere Arten als der üblicherweise betrachteten Finanzanlagen, z.B. auf das Kreditportefeuille einer Bank, oder sogar realwirtschaftliche Investitionsprojekte in einem Investitionsprogramm sind ausgelotet worden. Dem stehen zwar Probleme wie die mehr oder minder große Unteilbarkeit dieser Anlageobjekte sowie eine geringere Liquidität entgegen, diese können aber durch die Aufnahme neuer Nebenbedingungen in das Optimierungskalkül prinzipiell überwunden werden. Aus der Kritik an der Verwendung der Varianz bzw. Standardabweichung als Risikomaß sind bereits, in der Entstehungsphase der Portfolio-Theorie und dann wieder verstärkt ab den 1990er Jahren verschiedene Konzepte entwickelt worden, die mit downside orientierten Risikokennzahlen (Downside Risk) arbeiten; vgl. hierzu exemplarisch Mean-LPM- Approach, Roy-Kriterium. So lässt sich ein breites Spektrum von Risikoauffassungen und -einstellungen in an die Portfolio-Theorie nach Markowitz angelehnter Weise modellhaft behandeln. Da in diesem Zusammenhang die Annahme einer Normalverteilung der Renditen (Portfolio-Theorie, Modellbeurteilung) nicht mehr zwingend notwendig ist, lebt auch der in der älteren Literatur gebräuchliche Ansatz wieder auf, sich zunächst ein Bild von der gesamten zukünftigen Wahrscheinlichkeitsverteilung (Verteilungsfunktion) der Renditen zu machen und diese dann – im Kontext des Mean-Variance-Approach – zu den beiden Größen Erwartungswert und Varianz bzw. Standardabweichung zu verdichten. Mangels Erhältlichkeit derartiger (subjektiver) quantitativer Wahrscheinlichkeiten ein solches Vorgehen im Laufe der Zeit zunehmend suspendiert worden; an dessen Stelle ist die mittlerweile selbstverständliche isolierte Prognose der einzelnen Modellparameter mit unterschiedlichen Prognoseverfahren getreten (Asset Allocation, Grundprinzipien).

    Als für die praktische Anwendbarkeit der Portfolio-Theorie entscheidend haben sich Weiterentwicklungen erwiesen, die auf eine Erleichterung bei der Ermittlung des erforderlichen Dateninputs abzielen: Vor allem mit Blick auf die Kovarianzen hat Sharpe bereits 1963 sein Index-Modell vorgelegt, bei dessen Verwendung zuvor eine Abwägung zwischen einer nennenswerten Kosten- und Zeitersparnis und einer größeren Ungenauigkeit gegenüber dem Markowitz-Modell für den jeweiligen Einzelfall erfolgen sollte. Das Pendant auf der Ebene der Renditeprognosen ist deren Anbindung an die sog. Konsensuserwartungen "des Marktes" bzw. Abgleichung der eigenen Meinung mit diesen, um das Problem der subjektiven Prognoseunsicherheit zu entschärfen. Diesen Grundgedanken in einem komplexen Modell rigoros zu Ende geführt haben ab 1990 Black und Litterman (Black-Litterman-Verfahren).

    Eine andere Weiterentwicklung des statischen Grundmodells der Portfolio-Theorie besteht in dynamischen Portefeuille-Modellen, mit denen sowohl die Timing-Problematik im portfoliotheoretischen Kontext behandelt werden kann als auch Informations- und Transaktionskosten im Zusammenhang mit Portfoliorevisionen Berücksichtigung finden.

    Des weiteren ist in jüngerer Zeit die Portfolio-Theorie auch der in der Praxis weit verbreiteten Orientierung an einer vorzugebenden Benchmark verfügbar gemacht worden: In einer Portfoliooptimierung relativ zur Benchmark wird die aktive Rendite dem aktiven Risiko, d.h. unter Vernachlässigung von Markt-Timing die (hier terminologisch anders als im Markt-Modell verstandene) Residualrendite (α) dem Residualrisiko (Ω) (Residualvolatilität) gegenübergestellt. Die residuale Effizienzkurve im Alpha-Omega-Raum bildet nun nicht mehr Marktzusammenhänge ab, sondern Fähigkeitsniveau und -struktur eines Portfoliomanagers. In Analogie zum Grundmodell der Portfolio-Theorie müsste nun entweder die sog. residuale Risikoaversion des Investors (also speziell gegenüber Abweichungen von der Benchmark) den Ausschlag geben oder ein "vollkommener Portfoliomanager-Arbeitsmarkt" den Weg zu einem neuerlichen Two-Fund-Theorem ebnen; dies ist nutzentheoretisch offenbar noch nicht aufbereitet worden bzw. erscheint abwegig. Deshalb belässt man es bei der pragmatischen Lösung, das Optimum dort zu identifizieren, wo die Information Ratio den höchsten Wert aufweist – als würde man im Grundmodell das Portfolio nach der Sharpe Ratio optimieren (vgl. Roy-Kriterium, Ziff. 2).

    Weniger eine Weiterentwicklung der Portfolio-Theorie i.e.S. als vielmehr eine methodische Nutzbarmachung liegt schließlich darin, dass aus der normativen, auf Handlungsempfehlungen abzielenden Portfolio-Theorie das positive, auf Erklärungen (von Renditen im Marktgleichgewicht) abzielende Capital Asset Pricing Model (CAPM), der Kern der modernen Kapitalmarkttheorie, entwickelt werden konnte.

    Zudem ist im Laufe der letzten Jahrzehnte neben die Portfolio-Theorie ein gänzlich anders strukturierter Forschungszweig getreten, in dessen Rahmen anstelle von (Wahrscheinlichkeits-)Verteilungsannahmen (oder Annahmen zur Risikonutzenfunktion der Anleger) renditegenerierende Prozesse spezifiziert und insbesondere in sog. Faktormodellen entfaltet werden, die letztlich in die Arbitrage Pricing Theory – als konkurrierendes Konzept zum CAPM – einmünden. Diese beiden Forschungszweige müssen sorgfältig voneinander unterschieden werden, wobei sich ihre Ergebnisse keineswegs zueinander im Widerspruch befinden müssen.         

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