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Optionsscheine, Bewertung und Sensitivitätskennzahlen

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Das Original: Gabler Banklexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Gemeinhin werden Optionsscheine sowohl in der Praxis als auch fast in der gesamten Literatur in unmittelbarer Analogie zu Optionen bewertet. Dann liegt es auf der Hand, dass die einschlägigen Sensitivitätskennzahlen der Optionsbewertung auch für Optionsscheine Gültigkeit haben; insoweit kann auf die üblichen sog. Greeks verwiesen werden.

    Dabei wird regelmäßig vernachlässigt, dass strenggenommen ausschließlich Naked Warrants, also ohne Anbindung an die Emission einer Optionsanleihe emittierte Optionsscheine, auch (fremd-)gedeckte Optionsscheine, auf diese Weise bewertet werden dürfen; auch dies gilt wiederum nicht für solche nackten Optionsscheine, die von der Gesellschaft begeben werden, z.B. im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen für Mitarbeiter, soweit sie nicht durch die Lieferung von Altaktien (aus Aktienrückkaufprogrammen) bedient werden. Ansonsten bedarf es durchaus komplexer finanzierungstheoretischer Überlegungen, die hier nur umrissen werden können:

    Einerseits kommt es durch die Ausübung eines Optionsscheins, durch die junge bzw. neue Aktien entstehen, zu einer mehr oder weniger starken Kapitalverwässerung, unter der ggf. die Altaktionäre – im Wege des Bezugsrechtsausschlusses – und ohnehin die Neuaktionäre leiden. Von daher liegt der Wert eines solchen Optionsscheins grundsätzlich um den sog. Kapitalverwässerungsfaktor (Anzahl der ausgegebenen Optionsscheine im Verhälnis zur Anzahl der Altaktien) unterhalb einer ansonsten gleich ausgestatteten Option. Andererseits ist für einen Optionsschein nicht mehr nur die Volatilität der Aktie, sondern auch die des Unternehmensvermögens relevant, und zwar um so mehr, je wahrscheinlicher der Optionsschein ausgeübt wird, mit anderen Worten: je mehr er – unter Außerachtlassung von zwischenzeitlichen Dividendenzahlungen – bei Fälligkeit im Geld steht (vgl. Moneyness). Die Volatilität des Unternehmensvermögens ist nun aber größer als die der Aktie, da der Unternehmenswert – in Anwendung des sog. Modigliani-Miller-Theorems – als unabhängig von der Begebung des Optionsscheins angesehen werden kann, der Optionsschein aber – ebenso wie eine (Kauf-)Option – eine Optionselastizität ≥ 1 mitbringt, die sich wertadditiv in Abhängigkeit vom Kapitalverwässerungsfaktor partiell ins Unternehmensvermögen fortpflanzt. Dessen Volatilität erlebt weiterhin eine gesteigerte Peakedness (vgl. Portfolio-Theorie, Modellbeurteilung), Ziff. 1.b)) im Begebungszeitpunkt, die darauf beruht, dass bei einer positiven (negativen) Entwicklung der Aktie des Unternehmens sogleich mehr (weniger) Optionsscheine ausgeübt werden und dann über die stärkere (schwächere) Kapitalverwässerung der Aktienkurs "am Platz" gehalten wird; auf diese Weise kann der Wert von Optionsscheinen, die am oder sogar im Geld stehen, trotz der Kapitalverwässerung gegenüber vergleichbaren Optionen sogar leicht ansteigen. Führt man nun diese beiden Effekte zusammen, zeigt sich Erstaunliches: Wenn die Anleger – wie üblich – sowohl den Kapitalverwässerungseffekt in seiner negativen als auch den Volatilitätseffekt in seiner positiven Wirkung auf den Fair Value eines Optionsscheins vernachlässigen, kommt es immerhin bei Optionsscheinen in und at the Money zu einem zufälligen tendenziellen Fehlerausgleich, der die approximative Bewertung nach Black/Scholes und damit auch die Verwendung der üblichen Greeks erlaubt. Für die im Begebungszeitpunkt typischen Optionsscheine out of the money (außer bei Aktienoptionsprogrammen, die anreizmaximal in the Money sind) gilt dies allerdings nicht, weil der Volatilitätseffekt wegen der ceteris paribus niedrigeren Ausübungswahrscheinlichkeit mit abnehmender Moneyness immer weniger zum Tragen kommt; der Wert derartiger Optionsscheine wird damit durch eine schlichte Bewertung nach Black/Scholes überschätzt, zumindest für eher kurze Laufzeiten.

    Noch weitaus kompliziertere Aspekte scheinen auf, wenn explizit die Begebung von Optionsscheinen amerikanischen Typs nicht nur an einen einzigen Investor, sondern an eine Vielzahl von Anlegern erfolgt – natürlich eine realistische Annahme. Spieltheoretische Analysen haben im Ergebnis gezeigt, dass durch die Beteiligung der Altaktionäre an der Kapitalverwässerung ein sog. Nicht-Nullsummenspiel vorliegt, das in – vom Ausübungsverhalten her – suboptimale, gleichwohl rationale Erwartungsgleichgewichte einmünden kann. Dies bedeutet, dass bei einer polypolistischen Struktur der Optionsscheininhaber der Wert nach Black/Scholes nur eine Obergrenze darstellt, und zwar diesmal unabhängig von der Moneyness. (Bemerkenswerterweise kann ein monopolistischer Optionsscheininhaber den Wert seiner Scheine durch eine gestaffelte Ausübungspolitik auf Kosten der Altaktionäre noch deutlich über den Wert nach Black/Scholes hinaus steigern.)

    Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, als wären die resultierenden Arbitragemöglichkeiten – ohne das Modigliani-Miller-Theorem wäre die Fehlbewertung ja noch größer – zwischen gleich ausgestatteten Optionen und ihnen gleichgestellten Naked Warrants auf der einen und Issue-Linked Warrants auf der anderen Seite bei relativ (zum Aktienaltbestand) großen Optionsscheinbegebungen auf junge Aktien außerhalb des Geldes an das breite Publikum in der Praxis noch nicht ausgelotet worden.     

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