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Ministerrat

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Kurzbezeichnung für Rat der Europäischen Union (EU); nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs dieser supranationalen Organisation. Der Ministerrat ist ein wichtiges Entscheidungsgremium der EU und besteht aus den zuständigen Fachministern als weisungsgebundenen Vertretern ihrer nationalen Regierungen. Sie verfügen dabei je nach Größe ihres Landes über zwei bis zehn Stimmen (Deutschland verfügt genauso wie Frankreich, Großbritannien und Italien über zehn Stimmen). Die Funktionsweise des Ministerrats ist in Art. 16 EUV und in Art. 237 ff. AEUV geregelt. Das Organ setzt sich aus jeweils einem Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen, der ermächtigt sein muss, für seine Regierung verbindliche Entscheidungen zu treffen. Dabei gibt es je nach Politikbereich unterschiedliche Ratsformationen, bei denen sich die Vertreter verschiedener Ressorts treffen (etwa ECOFIN, d.h. Wirtschafts- und Finanzminister). Die Vertreter eines Mitgliedstaats können von dessen Regierung frei bestimmt werden; wichtige Entscheidungen werden jedoch üblicherweise auf Ministerebene getroffen. Anders als im Europäischen Rat mit seinem auf zweieinhalb Jahre gewählten Präsidenten wechselt der Vorsitz im Ministerrat halbjährlich durch Rotation unter den Vertretern aller Mitgliedstaaten. Sitz des Ministerrats ist Brüssel; in den Monaten April, Juni und Oktober finden die Tagungen in Luxembourg statt. Je nachdem, in welchen Politikbereich die Vorlagen fallen, über die der Ministerrat entscheidet, gelten verschiedene Abstimmungsverfahren. In reinen Verfahrensfragen beschließt der Ministerrat meist mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder. Bei Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und bei anderen politisch heiklen Angelegenheiten, wie der Steuerpolitik, beschließt er einstimmig. Für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, das in den meisten EU-Politikfeldern gilt, ist eine qualifizierte Mehrheit notwendig. Diese wird seit Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon (Dezember 2009) über das Prinzip einer doppelten Mehrheit definiert: (1) 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die (2) mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren; diese Vorgaben gelten in Bezug auf Vorschläge der Europäischen Kommission oder des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Das Verfahren der doppelten Mehrheit gilt endgültig seit 2017, bereits seit November 2014 aber dann, wenn kein Mitgliedstaat beantragte, das "alte" Verfahren der qualifizierten Mehrheit (nach dem Vertrag von Nizza) anzuwenden. Dazu wurde allen Mitgliedstaaten jeweils eine bestimmte Anzahl an Stimmen zugewiesen, die von 3 (Malta) bis 29 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien) reichen. Für die Verabschiedung eines Rechtsakts notwendig sind danach (1) eine einfache Mehrheit der Mitgliedstaaten und (2) eine Mehrheit von 255 der 345 Stimmen. Auf Antrag eines Mitgliedstaates muss darüber hinaus (3) festgestellt werden, ob die zustimmenden Mitgliedstaaten mindestens 62 Prozent der EU-Bevölkerung umfassen. Bei anderen Abstimmungen gilt ein Beschluss als angenommen, wenn (1) 72 Prozent der Mitgliedstaaten zustimmen, die zudem (2) 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen. Die Stimmenverteilung im Ministerrat orientiert sich an der Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten, wobei die kleinen Staaten proportional bevorzugt sind (sog. degressive Proportionalität), allerdings ohne einen klaren Schlüssel. So haben die vier bevölkerungsreichsten Staaten alle dieselbe Anzahl an Stimmen, obwohl Deutschland deutlich mehr Einwohner hat als die anderen drei. Einige der erst 2004 beigetretenen Staaten haben im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl eine eher geringe Anzahl an Stimmen; Spanien und Polen schneiden bei der Stimmgewichtung dagegen recht gut ab. Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, das für die meisten EU-Politikbereiche gilt (Art. 289, 294 AEUV), muss neben dem Ministerrat auch das direkt gewählte Europäische Parlament einem Gesetzgebungsakt zustimmen, damit dieser in Kraft treten kann. Seit Dezember 2009 tagt der Ministerrat grundsätzlich öffentlich, wenn er als Gesetzgeber tätig wird (Art. 16 VIII AEUV). Tagungen, bei denen keine Gesetzgebungsentscheidungen getroffen werden – also etwa vorbereitende Sitzungen oder auch die Treffen des Ministerrat für auswärtige Angelegenheiten – sind weiterhin nichtöffentlich.

    Weitere Informationen unter www.consilium.europa.eu/council.

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