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Einkommensteuertarif

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Charakterisierung: Der aktuelle Einkommensteuertarif (Steuertarif) ist ein gemischt progressiv ausgestalteter Formeltarif. Er enthält neben dem Grundfreibetrag vier weitere nahtlos ineinander übergehende Stufen, deren ersten beiden steigende Grenzsteuersätze aufweisen und Progressionszonen heißen, während die letzten beiden einen konstanten Grenzsteuersatz haben und daher Proportionalzonen genannt werden. Bei der direkten Progression der ersten beiden Tarifzonen steigt die Steuerbelastung jedes zusätzlichen Euros mit zunehmender Bemessungsgrundlage an. Die beiden Proportionalzonen sind zwar nicht direkt, wegen der enthaltenen Abzugsbeträge aber indirekt progressiv. In beiden Fällen steigt der Durchschnittssteuersatz mit zunehmendem Einkommen an. Dies liegt auch daran, dass der Grundfreibetrag in Form einer Nullzone in den Tarif integriert ist: Jeder Freibetrag und jede Freigrenze führen dazu, dass der Durchschnittssteuersatz mit steigender Bemessungsgrundlage steigt. Werden diese Freibeträge und der Tarif selbst nicht an die Geldentwertung (Inflation) angepasst, führen nur nominale Einkommens- oder Lohnerhöhungen dazu, dass mehr als der Inflationsausgleich des Einkommen wegbesteuert wird, weil die Durchschnittsbelastung mit zunehmendem Einkommen steigt (sog. „kalte Progression”).

    2. Normaltarif (Regeltarif): Auf das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (ESt) (§§ 2 V, 32a I 1 EStG) wird der Tarif angewendet (§ 32a EStG). Es handelt sich um einen Formeltarif, da die Höhe des Steuerbetrags sich durchgängig in formelmäßiger Abhängigkeit von der Bemessungsgrundlage bestimmt. Der geltende Tarif besteht aus:
    einem Grundfreibetrag, bis zu dem keine Steuer anfällt;
    einer unteren direkt progressiven Zone, bei der der Grenzsteuersatz gleichmäßig ansteigt;
    einer oberen direkt progressiven Zone, bei der der Grenzsteuersatz ebenfalls gleichmäßig, jedoch stärker ansteigt;
    einer ersten proportionalen Zone mit konstantem Grenzsteuersatz und
    einer abschließenden ebenfalls proportionalen Zone, die als "Reichensteuer" bezeichnet wird und in der der als Spitzensteuersatz bezeichnete Grenzsteuersatz ebenfalls konstant bleibt (§ 32a I EStG). Für Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, gilt das Splittingverfahren (§ 32a V EStG): Die Steuer, die sich für die Hälfte des gemeinsamen zu versteuernden Einkommens ergibt, wird verdoppelt. Die Einkommensteuer wird Euro-genau berechnet, sodass die häufig noch beigefügten Einkommensteuergrund- und Splittingtabellen nur Schätzwerte angeben.
    Progressionsvorbehalt: Liegen bestimmte steuerfrei gestellte Einkünfte (z.B. ausländische Einkünfte, Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld) vor, so werden diese zwar bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage nicht berücksichtigt, aber im Rahmen der Bestimmung des auf die steuerpflichtigen Einkünfte anzuwendenden Tarifs einbezogen (§ 32b EStG). Folglich wird der Steuersatz angewendet, der sich ergibt, wenn die ausländischen Einkünfte bei der Einkommensberechnung mit einbezogen werden. Der Progressionsvorbehalt soll insbesondere verhindern, dass über den Bezug von ausländischen Einkünften, die aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Einkommensteuer freigestellt worden sind, Tarifvorteile entstehen.

    3. Abgeltungsteuer: Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen einer eigenen Tarifschedule von 25% nach § 32d I EStG. Bei den meisten laufenden Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 230 I EStG) wird sie im Wege des Quellenabzugs durch die Kapitalertragsteuer (KapESt) mit abgeltender Wirkung erhoben.

    4. Splittingverfahren: Für zusammenveranlagte Eheleute findet nach § 32a V EStG das sog. Splittingverfahren Anwendung. Es beruht auf dem Prinzip, dass das addierte zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten halbiert, hierauf die Steuerbelastung nach dem Grundtarif ermittelt und anschließend verdoppelt wird. Dadurch kommt es aufgrund der indirekten wie auch der direkten Progression in den Fällen zu einer Milderung der Steuerbelastung, in denen sich die Einkünfte unterschiedlich auf die Eheleute verteilen. Der größte Vorteil entsteht, wenn nur ein Ehepartner Einkünfte hat. Verteilen sich die Einkünfte gleichmäßig auf beide Ehegatten, so führt das Splittingverfahren zum gleichen Ergebnis wie der Grundtarif.

    5. Ausnahmen vom Normaltarif:
    a) Steuersatzermäßigungen: § 34 EStG sieht eine Tarifbegünstigung für außerordentliche Einkünfte in der Form vor, dass der entsprechende Einkommensteil nur mit einem Fünftel steuerlich erfasst und die hierauf entfallende Steuer verfünffacht wird. In Fällen, in denen der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig ist, kann er abweichend die Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte mit 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes (mindestens aber mit dem Eingangssteuersatz des Einkommensteuertarifs) beantragen. Begünstigt sind bestimmte Veräußerungsgewinne, Entschädigungen, für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlte Nutzungsvergütungen und Zinsen, Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sowie bestimmte außerordentliche Einkünfte aus Forstwirtschaft. Auf diese Weise soll teilweise ein intertemporaler Progressionsausgleich erfolgen. § 34a EStG sieht eine Thesaurierungsbegünstigung für einbehaltene Gewinne von Einzelunternehmern und Personengesellschaften vor. Der begünstigte Gewinn wird mit einem Einkommensteuersatz von 28,25 Prozent besteuert. Bei späterer Entnahme oder aufgrund von Ersatztatbeständen erfolgt eine Nachversteuerung mit 25 Prozent.
    b) Steuerbetragsermäßigungen (Abzugsbetrag von der Steuerschuld):
    Um die Sonderbelastung der gewerblichen Einkünfte mit Einkommensteuer und Gewerbeertragsteuer zu mildern, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer um das 3,8-fache des für das Unternehmen in dem Veranlagungsjahr festgesetzten Gewerbesteuer-Messbetrags (§ 35 EStG).
    Ausländische (der Einkommensteuer entsprechende) Steuern können auf die deutsche Steuer angerechnet werden, wenn kein die Doppelbesteuerung vermeidendes Abkommen besteht oder ein Abkommen die Anrechnung der ausländischen Steuern vorsieht (§ 34c EStG; Einkommensteuerermäßigung bei ausländischen Einkünften).
    Nach § 35a EStG wird Steuerpflichtigen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen ein Abzug von 20 Prozent ihrer Aufwendungen, maximal jedoch 512 Euro für Minijobs, 4.000 Euro für andere Beschäftigungsverhältnisse oder Dienstleistungen und 1.200 Euro für Handwerkerleistungen gewährt.
    Steuerpflichtigen wird ein Abzugsbetrag von der Steuerschuld in Höhe von 50 Prozent der Spenden und Mitgliedsbeiträge an politische Parteien und unabhängige Wählervereinigungen, jedoch maximal 825 Euro/1.650 Euro im Fall der Zusammenveranlagung, gewährt.
    §35b EStG ermöglicht eine Steuerermäßigung zur Entlastung von einer Doppelbesteuerung mit Erbschaft- und Einkommensteuer.

    6. Gestaltungsmöglichkeiten: Die Tarifunterschiede für alternative Handlungsmöglichkeiten induzieren individuelle Steuergestaltungen. Aufgrund der unterschiedlich hohen Steuersätze sowie der indirekten und direkten Progression können mittels einer barwertbezogenen Tarifglättung für Einzelpersonen oder Personengruppen Steuervorteile erzielt werden. Dazu bieten sich interpersonelle Verlagerungen der Steuerbemessungsgrundlage im Familienverband, intertemporale Verlagerungen der Steuerbemessungsgrundlage, Wechsel der Einkunftsart und Maßnahmen regionaler und internationaler Art an.

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