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bankaufsichtliche Maßnahmen bei unzureichenden Eigenmitteln oder unzureichender Liquidität

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    § 45 KWG gibt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Handhabe, um Eigenmittelausstattung und Liquidität eines Instituts i.S. des KWG zu verbessern. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden:

    1. Die Vermögens-, Finanz- und Ertragsentwicklung eines Instituts i.S. des KWG rechtfertigt die Annahme, dass es nicht über eine ausreichende Ausstattung mit Eigenmitteln (Eigenmittel der Institute) oder Liquidität verfügt (§ 45 I 1 KWG). Zur Überprüfung wird auf die Gesamtkennziffer sowie die Liquiditätskennziffer zurückgegriffen. Die Gesamtkennziffer ist als das in Prozent ausgedrückte Verhältnis zwischen den Eigenmitteln eines Instituts als Zähler und der mit dem Faktor 12,5 multiplizierten Summe aus dem Gesamtanrechnungsbetrag für Adressenrisiken, dem Anrechnungsbetrag für die operationellen Risiken und der Summe der Anrechnungsbeträge für Marktrisikopositionen (bei Handelsbuchinstituten einschließlich der Optionsgeschäfte) dieses Instituts als Nenner definiert. Die Liquiditätskennziffer ist definiert als das Verhältnis zwischen den im ersten Laufzeitband (täglich fällig bis zu einem Monat) verfügbaren Zahlungsmitteln und den während dieses Zeitraums abrufbaren Zahlungsverpflichtungen eines Instituts. Die Annahme einer unzureichenden Ausstattung mit Eigenmitteln oder Liquidität ist nach § 45 I 2 KWG regelmäßig dann gerechtfertigt, wenn sich:
    a) von einem Meldestichtag bis zum nächsten die Gesamtkennziffer um mindestens zehn Prozent oder die Liquiditätskennziffer um mindestens 25 Prozent verringert hat und daher innerhalb der nächsten zwölf Monate mit einem Unterschreiten der Mindestanforderungen zu rechnen ist oder
    b) an mindestens drei aufeinander folgenden Meldestichtagen die Gesamtkennziffer um jeweils mehr als drei Prozent oder die Liquiditätskennziffer um jeweils mehr als zehn Prozent verringert hat und daher innerhalb der nächsten 18 Monate mit einem Unterschreiten der Mindestanforderungen zu rechnen ist und keine Tatsachen offensichtlich sind, die die Annahme rechtfertigen, dass die Mindestanforderungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eingehalten werden.
    Die BaFin kann dann – i.d.R. auch ohne Fristsetzung – Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung und Liquidität des Instituts anordnen (§ 45 I 1 KWG). Zu diesen zählt z.B. die Verpflichtung des Instituts, der BaFin und der Deutschen Bundesbank über geeignete Maßnahmen zur Erhöhung von Kernkapital, Eigenmitteln und Liquidität zu berichten.

    2. Das Institut verfügt nicht über eine ausreichende Ausstattung mit Eigenmitteln oder Liquidität, hält also insbesondere die Anforderungen an die Eigenmittel von Instituten nach den Bestimmungen der CRR bzw. die Liquidität nach § 11 KWG nicht ein (§ 45 II 1 KWG). Nach pflichtgemäßem Ermessen kann die BaFin in einem solchen Fall differenzierte Maßnahmen (einzeln oder nebeneinander) ergreifen, wie z.B. die Untersagung oder Beschränkung von Entnahmen durch die Inhaber oder Gesellschafter oder die Untersagung oder Beschränkung der Ausschüttung von Gewinnen. Beschlüsse über Gewinnausschüttungen sind insoweit nichtig, als sie einer Anordnung der BaFin widersprechen (§ 45 V 3 KWG). Möglich ist auch die Untersagung oder Beschränkung der Gewährung von Krediten im Sinne von § 19 I KWG (Kreditbegriff des KWG). Dabei kommen sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Beschränkung in Betracht (z.B. Kreditausweitung höchstens bis zu einem bestimmten Prozentsatz innerhalb eines bestimmten Zeitraums, keine Kredite mit Laufzeiten von mehr als x Monaten, keine Gewährung von Gelddarlehen jeder Art, Gewährung nur von Akzeptkrediten). Werden Kredite entgegen einem Verbot gewährt, ist der Vertrag rechtswirksam. Dem Institut muss zunächst eine Frist zur Behebung der Mängel gesetzt werden, allerdings darf die BaFin Maßnahmen auch ohne Fristsetzung ergreifen, soweit dies zur Verhinderung einer kurzfristig zu erwartenden Verschlechterung der Eigenmittelausstattung oder der Liquidität des Instituts erforderlich ist (§ 45 V 1 KWG). Wird Anordnungen der BaFin vorsätzlich oder fahrlässig zuwidergehandelt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 56 II Nr. 3 Buchstabe k KWG).

    Die genannten Maßnahmen sind – mit Ausnahme der Untersagung oder Beschränkung von Krediten – gemäß § 45 III 1 KWG auch auf übergeordnete Unternehmen sowie auf Institute i.S. des § 10a KWG anwendbar, wenn die zusammengefassten Eigenmittel der Institutsgruppe i.S. des KWG unzureichend sind.

    Maßnahmen nach § 45 KWG sollen strukturelle Schwächen beheben, die geschäftspolitisch korrigierbar erscheinen. Wenn auch das Verbot von Entnahmen oder Gewinnausschüttungen primär auf Substanzerhaltung abzielt, während das Verbot der Kreditgewährung in erster Linie auf die Erhaltung der Zahlungsbereitschaft hinwirkt, stehen die Maßnahmen doch in einem Wirkungszusammenhang. So verhindert das Verbot, Kredite zu gewähren, eine Ausweitung der Risiken des Aktivgeschäfts und hält damit den effektiven Sicherungswert der vorhandenen Eigenmittel aufrecht. Maßnahmen der BaFin können sich aber durchaus negativ auf das Vertrauen des Publikums in ein Institut auswirken, wenn sie bekannt werden. Daher genügt in der Praxis zumeist eine Fristsetzung, um die notwendigen Korrekturen auszulösen. Maßnahmen nach § 45 KWG stellen auch ein Misstrauensvotum gegen die Geschäftsleiter dar; beim Vorliegen der Voraussetzungen bestehen daher an deren Eignung Zweifel, die eine Überprüfung rechtfertigen.

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